Zum ersten Mal

Ich werde nächste Woche 44. Mit wachsendem Lebensalter und der Zunahme gemachter Erfahrungen vergehen eine Menge Tage meines Liebens mittlerweile, ohne dass ich etwas mir völlig Neues erlebe. Heute, am 8. Februar 2023, war das anders, denn ich hatte meine erste professionelle Zahnreinigung und meinen ersten Kirchenaustritt. Während ich die Zahnreinigung nun einmal jährlich wiederholen möchte (auch wenn ich als Kassenpatient die Kosten selbst tragen muss), wird der Kirchenaustritt gleichzeitig mein letzter sein. (Falls sich in mir gegen allen Erwartungen doch noch ein sprituelles Wesen entfalten sollte, würde ich das gerne ohne irgendeine Mitgliedschaft ausleben.)

Der Kaffee davor

Zur Zahnreinigung nur soviel: Ich empfehle vorher einen Kaffee zu trinken, weil danach empfohlen wir für zwei Stunden auf den Genuss evtl. zahnverfärbender Lebensmittel zu verzichten. Ich hatte das versäumt und konnte so erst um halb zwölf meine Koffeinsucht bedienen.

Besser spät als nie

Meinen Austritt aus der evangelischen Kirche hatte ich viele, viele Jahre vor mich hingeschoben. Einen Sinn hinter meiner Mitgliedschaft habe ich nie wirklich gesehen und ich habe seit meiner Konfirmation fast gar nichts mit der evangelischen Kirche zu tun. (Mit der katholischen Kirche schon eher, weil meine Kinder auf konfessionellen Kitas und Schulen waren/sind, die es ja in Köln in jedem Veedel mindestens genauso häufig gibt wie deren kommunalen Pendants.)

Kirchenaustritt in Köln

Ein Kirchenaustritt ist in Köln gar nicht so einfach. Durchgeführt wird das Ganze am Amtsgericht am Reichensperger Platz. Ich hatte immer mal wieder auf der Terminbuchungsseite des Amtsgerichts nach verfügbaren Termine geschaut und keine gefunden. Das lag natürlich vor allem daran, dass die Rheinländer meist Katholiken sind und die katholische Kirche insbesondere im Erzbistum Köln in den letzten Jahren immer wieder neue Anreize liefert, sich von ihr loszusagen. Siehe diesen Artikel im Kölner Stadtanzeiger zum erneuten Rekord bei den Kirchenaustritten vom Dezember letzten Jahres (mit freundlicher Unterstützung durch 12ft Ladder zum Entfernen der Paywal).

Wie auch immer, momentan sind noch Termine in der zweiten Aprilhälfte frei, also nur zu.

Rein ins Amt

Der Besuch im Amtsgericht war eine interessante Erfahrung. Zunächst mal handelt es sich beim Justizebäude am Reichensperger Platz1 um ein recht beeindruckendes, zweihundert Jahre altes Riesengebäude mit der Größe eines gesamten Häuserblocks. Auch für einen so einfachen Vorgang wie den Kirchenaustritt muss mensch die dort gängigen Sicherheitsmaßnahmen über sich ergehen lassen, die denen an einem Flughafen entsprechen (alle Gegenstände inkl. Gürtel in eine Wanne, die durchleuchtet wird und dann durch ein Metalldetektor-Tor gehen).

Dann müssen in Raum 2, der “Zahlstelle”, 30 Euro entrichtet werden, um sodann mit der erhaltenen Quittung zur Beurkundung Zimmer 27 aufzusuchen. “Suchen” ist hier nicht ganz falsch, weil das Gebäude für Neulinge schon etwas Labyrinthisches an sich hat.

Im Schnitt 60 Kirchenaustritte pro Tag

Die beurkundende Sachbearbeiterin hat auf meine Frage gesagt, dass zu Zeit im Schnitt 60 Personen täglich aus der Kirche austreten würden und dass es in ganz Köln keine andere Stelle gibt, die Kirchenaustritte behandelt. Das würde bei 250 Werktagen 15.000 Kirchenautritte im Jahr bedeuten. Das deckt sich nicht wirklich mit den Zahlen aus dem erwähnten Ksta-Artikel (ca. 20.000 Austritte in 2021 und 2022) deckt, aber vielleicht sind die Zahlen ja auch wieder etwas gesunken.

Von Bürokraten und glücklichen Menschen

Im Amtsgericht sind mir zum einen die Wachleute am Eingang begegnet und in den Gängen selbst vor allem zwei Arten von Menschen. Zum einen Menschen, die dort arbeiten und auf Schiebewagen Papier(!)-Akten durch die großen Gänge schoben. Zahnräder einer bürokratischen Maschine, die mir zeigten, dass dies kein Ort ist, an dem ich arbeiten könnte. Zum anderen traf ich drei – so wie ich – leicht desorientiere Kirchenaustreter, die allesamt sehr gute Laune hatte, weil sie endlich diesen Schritt hinter sich brachten. Das war wahrlich das Beste an der Sache und ich empfehle einen Kirchenaustritt zur Hebung der Laune. Ich selbst habe das Amtsgerichtauch in bester Laune verlassen und mich danach mit leckeren Stück Kuchen belohnt. Einen Kaffee gab es auch dazu, denn die zwei Stunden seit der Zahnreinigung waren um.